Die große Frage nach dem eigenen Ich

„Einzigartigkeit ist die Voraussetzung für Identität“

Jeden Tag leben wir verschiedene Rollen, in denen unsere Identität in sogenannten Teilidentitäten sichtbar wird. Im Beruf verhalten wir uns anders als privat, zu meiner Vorgesetzten habe ich ein anderes Verhältnis als zu meiner Mutter, zu meinen Freunden usw.

Identität entsteht aus Reflexion und Relation zu anderen. Sie besteht nicht nur aus unserer subjektiven Innensicht, sondern wird auch von anderen Menschen mitbestimmt. Innen- und Außensicht beeinflussen sich wechselwirkend.

Die innere Haltung gegenüber uns selbst bestimmt unser Denken, Handeln und wie wir uns geben. Nehme ich mich selbst als eher mutig wahr, werde ich auch eher mutig handeln. Nehme ich mich selbst als eher schüchtern war, so werde ich mich wahrscheinlich auch eher schüchtern verhalten. Das Feedback von anderen Personen wirkt sich wiederum auf das eigene Verhalten aus.

Franz Ruppert: Das Trauma der Identität

„Identität ist die Summe all meiner, von mir erlebten und bewältigten, bewussten, wie unbewussten, Lebenserfahrungen.“

Das Leben beginnt mit der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle. Die frühesten Lebenserfahrungen sind am prägendsten für die Persönlichkeit.

Psychotherapie ist in gewisser Weise also auch Archäologie, denn sie versucht freizulegen, was vergraben in uns schlummert. Verleugnen oder vergraben wir Erfahrungen unseres Selbst, können wir nicht ganz WIR SELBST sein, denn wir sind von Anbeginn Subjekt, wir sind nie „nur Zellen“. Ein Organismus ist immer Psyche und Körper.

Auf Subjekte wird nicht nur eingewirkt, sie wirken auch selbst. Sie sind handlungsfähig.

Identifikation und Abgrenzung

Individuum heißt: „Das Nicht-Geteilte“. Ich-Sein ist von Anfang an da. Was sich erst entwickeln soll, ist das Ich-Bewusstsein – ein Individuum, das über sich selbst reflektieren kann.

Die Mutter ist die erste Gesellschaft, in die man sprichwörtlich hineinwächst. Man muss sich abgrenzen lernen → eigene Erfahrungen/Gefühle vs. Erfahrungen/Gefühle der Mutter.

Ob die Mutter ein klares Ich entwickeln konnte, spielt eine Rolle in der Identitätsentwicklung des Kindes.

Kann Mein und Dein auseinander gehalten werden oder verschmilzt es?
Was will ich? Was will die Mutter? Ist es eigener Wille oder der Wille von jemand anderem?

Ich-Bewusstsein und Bedürfnisse

Symbiotische Bedürfnisse:

  • Zusammenleben, Zugehörigkeit, unterstützt werden, versorgt werden → Beziehung/Wir- Bildung
  • fördern Imitation und Anpassung (Zurückstecken des Ich)
  • jeder Mensch braucht Kontakt und Liebe, um überleben zu könnenAutonomie Bedürfnisse:
  • selbst Entscheidungen treffen können, selbst Empfinden dürfen
  • Rebellion bei Einschränkung der Autonomie Bedürfnisse → AbgrenzungInnerlicher Widerspruch: Wir wollen dazugehören, aber gleichzeitig auch wir selbst sein können. Wir möchten Beziehungen, die uns nicht verschlingen, sondern Platz für unser Selbst lassen → Bedürfnisbalance.IdentitätsgleichungIdentität: Ich = Ich→ mischt sich etwas Fremdes hinein? Sind es Erwartungen/Bedürfnisse z.B. der Mutter oder meine eigenen?Gesunde Identität
  • eigenes Ich mit eigenem Willen, eigenen Gedanken und diese formulieren können…
  • Psyche und Körper stehen miteinander in Verbindung
  • Konstruktive Beziehungen leben: Wir-Sein, Wir-Bewusstsein.

Trauma spaltet Psyche und Körper. Ein Kind kann anfängliche Wir-Angebote nicht in Frage stellen (Vater, Mutter), das kommt erst später im Leben, z.B. durch die Wahl der Freunde, des Partners.

Identifikation:

Ich = Du / Ich = Wir

Ich setze mich gleich mit jemand anders oder einem Kollektiv an Menschen, Beruf, Partei, Werten…

→ Sich mitfreuen, mitleiden mit jemand anderem.

(…)

9 https://www.youtube.com/watch?v=AH5gtVpXCNI
10 https://www.youtube.com/watch?v=ZoAhyyhEUts

(Auszug aus einer mehrseitigen Facharbeit von T.M., einem Studierenden)